Status quo
Weidepflicht für Bio-Betriebe

Eine strengere Umsetzung der EU-Öko-Verordnung verpflichtet ab 2026 alle ökologisch wirtschaftenden Betriebe, Pflanzenfressern wie Rinder, Schafe und Ziegen von April bis Oktober Zugang zu Weideland zu ermöglichen. Dies bietet Chancen für mehr Tierwohl und eine höhere Akzeptanz von Bio-Produkten beim Verbraucher. Gleichzeitig stellt sie viele Betriebe vor große Herausforderungen.

Neben den Beratern der Öko-Verbände und dem Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) steht das AELF Tirschenreuth-Weiden den Bio-Landwirten der Region als Ansprechpartner zur Verfügung. Drei Mitarbeiter haben in diesem Zuge im April 2025 zwei Betriebe besucht und möchten zeigen, wie unterschiedlich die Bedingungen vor Ort sind und dass es auch Positiv-Beispiele für die Umsetzung gibt.

Weidehaltung mitten im Dorf
Familie Beutner bewirtschaftet ihren landwirtschaftlichen Betrieb in Mallersricht seit 2016 ökologisch. Nun müssen ihre Milchkühe auf die Weide. Die Umsetzung gestaltet sich auf-grund der Betriebslage im Dorf kompliziert. Die Kühe müssen, um auf die Weide zu gelangen eine vielbefahrene Dorfstraße überqueren. Dies erfordert die Einrichtung von Wartehöfen und das Aufstellen von Warnschildern. Um ausreichend Weidefläche zu schaffen, hat die Familie zusätzliche Grünlandflächen zugepachtet, sodass insgesamt 7,5 Hektar zur Verfügung stehen.
Täglicher Mehraufwand: Weidegang kostet Zeit und Kraft

Die täglichen Weideaus- und -eintriebe erhöhen die Arbeitsbelastung erheblich. Wenn Beutner seinen Berufskollegen von diesen Plänen erzählt, sind Sätze wie: „Du bist narrisch, das machst nicht lange!“ keine Seltenheit, erzählt Beutner schmunzelnd. Die Kühe müssen morgens nach dem Melken auf die Weide und abends vor dem Melken zurück in den Stall getrieben werden. Ein freier Tierwechsel zwischen Stall und Weide ist aufgrund der Straßenquerung nicht möglich.

Trotz aller Widrigkeiten: Zuversicht und Eigeninitiative

Dennoch bleibt Christian Beutner zuversichtlich: "Ich bin mir der Herausforderung bewusst, aber auch fest davon überzeugt, dass das klappt." Die Beutners bereiten sich intensiv auf die neue Situation vor. Sie nutzen Holz aus dem eigenen Wald für Zaunpfosten und haben einen Holzverschlag installiert, um die Tiere schrittweise an die Weide zu gewöhnen. Entlang des angrenzenden Radweges planen sie zusätzlich zum Stromzaun einen Holzzaun, um Radfahrer und Spaziergänger vor dem Stromzaun zu schützen.

Vom Acker zur Weide: Ein Schritt mit gemischten Gefühlen
Eine andere Situation zeigt sich bei Matthias Zahn aus Eiglasdorf. Seit 2016 produziert der Betrieb Bio-Milch. Zahn betrachtet die Weidepflicht pragmatisch: "Bio wirbt nun mal mit Kühen auf der Weide. Der Verbraucherwunsch musste früher oder später umgesetzt werden." Seine Milchkühe haben bereits seit der Öko-Umstellung in den Sommermonaten die Möglichkeit, frei zwischen Stall und Weide zu wechseln. Dennoch muss auch er seine Weidefläche vergrößern, indem er angrenzendes, wertvolles Ackerland in Weide umwandelt. „Da hab ich schon geschluckt – mein schönes Feld soll Weide werden“, so Zahn. Um auf die neue Weide zu gelangen, müssen die Kühe einen Schotterweg überqueren. Dafür müssen zusätzlich Tore und Übergänge errichtet werden.
Technik trifft Tierwohl: Melkroboter und Weidegang in Einklang bringen

Am Betrieb Zahn haben die Kühe 24/7 Zugang zu einem Melkroboter. In Kombination mit der vergrößerten Weide erfordert dies ein anspruchsvolles Management. "Gerade bei lauen Temperaturen und Wind sind die Tiere gerne draußen und kommen dann auch zum Melken nicht rein", erklärt Zahn. Um dem, und der Gefahr durch den Wolf entgegenzuwirken, bleiben die Kühe auch hier – wie bei Beutner – nachts im Stall. Beide Betriebe liegen im Wolfsgebiet.

Nicht für jeden Betrieb machbar: Weidepflicht hat Konsequenzen

„Die Betriebe ziehen alle Register, um die Weidepflicht umzusetzen. Doch bei einigen, auch in der Oberpfalz, wird die Weide trotzdem nicht möglich sein“, so Maximilian Hierl, Ansprechpartner für Ökolandbau vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Tirschenreuth-Weiden. Als Konsequenz verlieren diese Betriebe ihren Status als Öko-Betrieb.

Doch: mit Einsatz und Ideenreichtum - Bio-Landwirte nehmen die Herausforderung an

Die Umsetzung der Weidepflicht erfordert von den Landwirten Kreativität, Flexibilität und erheblichen Einsatz, um die neuen Vorgaben erfolgreich in ihre Betriebsabläufe zu integrieren. Trotz der Herausforderungen zeigen die Beispiele von Familie Beutner und Herrn Zahn, dass Bio-Landwirte bereit sind, sich den neuen Anforderungen zu stellen und Lösungen zu finden. Es wird sich zeigen, wie gut die Umsetzung der Weidepflicht funktioniert und welche Auswirkungen sie auf die Bio-Milchproduktion in unserer Region haben wird.